Der wissenschaftliche
Kenntnisstand über die möglichen langfristigen biologischen Wirkungen von
hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung (wozu auch die Mobilfunkstrahlung
gehört) ist trotz aller Forschungsbemühungen weiterhin unbefriedigend.
Auch ist es völlig
ungeklärt, ob eher Mobiltelefone oder Mobilfunkbasisstationen zu langfristigen
biologischen Wirkungen beitragen. Sicher ist nur, dass die von diesen beiden
Quellen für einen typischen Anwender hervorgerufenen Strahlungsexpositionen
völlig unterschiedliche Verläufe bezüglich Intensität und Zeit aufweisen.
Handys am eigenen
Kopf führen im Allgemeinen zu einer Strahlungsexposition hoher Intensität über
einen kurzen Zeitraum, wohingegen Basisstationen zu einer permanenten
Exposition mit einer im Vergleich zu Handys eher geringen Intensität führen.
Welche der beiden Belastungen größere gesundheitliche Relevanz besitzt, kann
bisher wissenschaftlich nicht eindeutig beantwortet werden. Hinweise gehen in
die Richtung, dass durch die hohen (aber: kurzzeitigen) Belastungen durch das
Handy eher Turmorerkrankungen und degenerative Gehirnerkrankungen gefördert
werden und durch die (niedrige) Dauerbelastung durch Basisstationen eher
neurologische Effekte (Konzentrations- und Schlafstörungen) auftreten.
Die Höhe der
Belastung durch das Handy richtet sich zum einen nach den
Strahlungseigenschaften des eigenen Handys (SAR-Wert) und ganz entscheidend
auch nach der Qualität der Verbindung zur nächsten Basisstation.
Selbst unter
Berücksichtigung der sehr unterschiedlichen Einwirkungsdauer ergibt sich durch
das Handy am eigenen Kopf im Allgemeinen ein größerer Gesamtenergieeintrag in
den menschlichen Körper (sprich Erwärmung) als durch die permanente
Einstrahlung geringerer Intensität durch die Basisstationen. Es sei aber darauf
hingewiesen, dass dies in hochexponierten Lagen in der Nähe von Basisstationen
keineswegs immer zutreffend ist.
Unterstellen wir
trotzdem einmal, dass es für die meisten Nutzer zutreffend ist, dass der
größere Gesamtenergieeintrag in den Körper durch das eigene Handy hervorgerufen
wird, so ist damit überhaupt nicht entschieden, welcher Strahlungsanteil (Handy
oder Basisstationen) die größere biologische Wirkung verursacht.
Die Beurteilung
möglicher Langzeitwirkungen ausschließlich an Hand des Gesamtenergieeintrags
(wie z.B. in der jüngsten Argumentation des IZgMF
(Informationszentrums gegen Mobilfunk)) ist mit großer Wahrscheinlichkeit zu
kurz gedacht. Diese Denkweise steht zwar in bester Tradition von ICNIRP und der darauf basierenden 26. BImSchV,
die weiterhin unbeeindruckt von allen Forschungsergebnissen zu athermischen
Wirkungen von der rein thermischen Wirkungsweise hochfrequenter
elektromagnetischer Strahlung ausgehen, vertrauenswürdiger wird diese
Argumentation dadurch hingegen nicht.
Einer der häufig genannten Kritikpunkte an einer Mobilfunkversorgung von Basisstationen außerhalb der Wohnbebauung bezieht sich auf die Strahlungsbelastung der Handynutzer.
Der Vorwurf lautet,
dass durch die weiter von der Wohnbebauung entfernten Basisstationen zwar die
Immissionsbelastung der Wohnbevölkerung durch die Strahlung der Basisstationen
reduziert wird, auf der anderen Seite aber die Handys mehr Sendeleistung
aufbringen müssten, um die weiter entfernten Basisstationen zu erreichen. Und
diese erhöhte Sendeleistung der Handys führe dann zu einer höheren
Strahlungsbelastung der Handynutzer.
Die dieser
Argumentation zu Grunde liegende Überlegung ist vom Grundgedanken her richtig,
und der Kritikpunkt wäre angebracht, wenn man bei der Entwicklung einer
strahlungsminimierten Mobilfunkversorgung wirklich nichts anderes tun würde,
als eine „normale“ Basisstation von einem Standort innerhalb der Wohnbebauung
an einen Standort außerhalb der Wohnbebauung verschieben.
Der genannte
Kritikpunkt an einer Mobilfunkversorgung von außerhalb der Wohnbebauung
gelegenen Basisstationen ist nicht neu und wird vor allem von Seiten der
Mobilfunkbetreiber regelmäßig vorgebracht.
Der Vorwurf richtet sich gegen die simpelste denkbare Variante einer
Mobilfunkversorgung von außerhalb der Wohnbebauung. Man nimmt dabei an, dass
man bei einer solchen „Versorgung von außen“ nichts anderes tut, als die
üblichen Basisstationen von Standorten innerhalb der Wohnbebauung an
Außenstandorte verlagert, ansonsten aber die Montagehöhe der Antennen und auch
den Antennentyp beibehält. In diesem Fall ergibt sich tatsächlich die
Situation, dass zwar die Strahlungsbelastung für die Wohnbevölkerung verringert
wird, aber im Gegenzug die Strahlungsbelastung für die Handynutzer deutlich
erhöht wird. Trotz der ungeklärten biologischen Auswirkungen, auf die zu Anfang
eingegangen wurde, ist ein solches Resultat einer Mobilfunkversorgungsplanung
schon aus Vorsorgegesichtspunkten unerwünscht.
Eine derartige
Vorgehensweise (nur Verschiebung der Basisstationen nach außen) wird zwar weder
von unserem Institut praktiziert noch ist uns ein solches Vorgehen von einem
der anderen Institute bekannt, die ernst zu nehmende Mobilfunkversorgungskonzepte
erstellen. Ungeachtet dessen wird der Vorwurf aber immer wieder vorgebracht, so
dass hier eine nähere Betrachtung angebracht erscheint.
Ein ernsthaftes
Mobilfunkversorgungskonzept beschränkt sich auf keinen Fall darauf, „normale
Basisstationen“ von Standorten innerhalb der Wohnbebauung an Standorte
außerhalb der Wohnbebauung zu verschieben. Wegen der größeren Entfernung
zwischen Basisstation und Handy müssten – bei ansonsten unveränderten
Bedingungen – beide Kommunikationspartner (Basisstation und Handy) mit höherer
Sendeleistung arbeiten.
Nun wird die Qualität
des Funkkanals aber nicht nur durch die Entfernung zwischen Basisstation und
Handy bestimmt, sondern ganz entscheidend auch dadurch, welche Hindernisse sich
zwischen Basisstation und Handy befinden. Innerörtliche Basisstationen befinden
sich häufig nur wenige Meter oberhalb der typischen Dachhöhe der Bebauung.
Mobilfunknutzer, die sich nur ein oder zwei Straßenzüge entfernt von der
Basisstation aufhalten, haben häufig keine direkte Sicht zu den Antennen ihrer
„zugehörigen“ Basisstation und das Funksignal erreicht daher nur nach mehreren
Reflexions- und oder Beugungsvorgängen sein Ziel, wobei es entsprechend
abgeschwächt wird.
Zielsetzung einer strahlungsminimierten
Mobilfunkversorgung ist es hingegen immer, für die außerhalb der Wohnbebauung
gelegenen Standorten solche Antennenpositionen zu finden, die sich erheblich
oberhalb der Dachhöhe der zu versorgenden Siedlungsbereiche befinden, sich also
an hochgelegenen, exponierten Standorten befinden. Häufig können hierfür
topographische Gegebenheiten wie zum Beispiel natürliche Erhebungen in der
Umgebung ausgenutzt werden, ansonsten muss auf entsprechend hohe Masten
zurückgegriffen werden. Durch die von solchen Standorten mögliche Versorgung
„von außen“ und „von oben herab“ gelingt es, die sogenannten „Pfadverluste“ –
also die Schwächung des Funksignals auf dem Weg vom Sender zum Empfänger –
erheblich zu reduzieren. Im Ergebnis ist dann bei einem gut gewählten
Außenstandort (wegen seiner exponierten Lage) die Gesamtdämpfung des
Funksignals geringer als bei einem typischen innerörtlichen Standort, der sich
nur wenige Meter oberhalb der typischen Dachhöhe befindet – und dies trotz der
größeren Entfernung zwischen Basisstation und Handy.
Hieraus ergibt sich
dann unmittelbar, dass die Handynutzer keinen höheren Strahlungsexpositionen
als bei innerörtlichen Basisstationen ausgesetzt sind und die Wohnbevölkerung
von der größeren Entfernung der Basisstationen profitiert. Diese Überlegungen
wurden – wie nachfolgend dargestellt – auch bereits in einer
Simulationsrechnung überprüft.
Das
Mobilfunkversorgungskonzept für die Stadt
Attendorn wurde bereits im Jahr 2004 einer Überprüfung durch eine
unabhängige Studie
des Instituts für Hochfrequenztechnik
der Universität Stuttgart unterzogen. Dabei wurden unter anderem die
Sendeleistungen der Handys in einem Netz entsprechend der Planung eines
Netzbetreibers und in einem Netz entsprechend dem Attendorner
Mobilfunkversorgungskonzept verglichen. Die Details sind u.a. auf den Mobilfunkseiten der
Stadt Attendorn dargestellt. Hier sei nur kurz auf ein wesentliches Ergebnis
für die Handynutzer eingegangen, das mittels einer dynamischen Systemsimulation
eines UMTS-Netzes gewonnen wurde. Die mittlere Sendeleistung der Handy war in
beiden untersuchten Netzen sehr gering, der Unterschied betrug weniger als
1/1000 Milliwatt. Die maximale Sendeleistung des Handys (am ungünstigsten Ort
des Handynutzers) betrug hingegen beim Netz entsprechend der Planung des
Netzbetreibers ca. 32 mW und beim Netz entsprechend dem Attendorner
Mobilfunkversorgungskonzept ca. 25 mW. Hieraus ist klar zu erkennen, dass sich
auch für die Handynutzer aus dem strahlungsminimierten Mobilfunknetz keineswegs
eine höhere Strahlungsbelastung ergibt, sondern ganz im Gegenteil auch für die
Handynutzer die Strahlungsexposition reduziert wird.
Es sei noch darauf hingewiesen,
dass es sich bei den hier ermittelten Sendeleistungen um eine reine
Sprachverbindung (d.h. niedrige Datenrate) im UMTS-Netz handelte und die
Sendeleistung der Mobilteile (Handys) für Sprachverbindungen in der Simulation
auf 32 mW (15 dBm) beschränkt war. Trotzdem wurde diese Handy-Sendeleistung bei
den exponierten Standorten entsprechend der strahlungsminimierte
Mobilfunkkonzeption nicht ausgenutzt, wohingegen bei den innerstädtischen
„Standard“-Basisstationen die vorgegebene Obergrenze von 32 mW an ungünstigen
Nutzerstandorten ausgereizt wurde.
Kommunale Konzepte
zur strahlungsminimierten Mobilfunkversorgung werden meist durch die Besorgnis
vor der Strahlung der Basisstationen initiiert und konzentrieren sich daher auf
die Erzielung von Verbesserungen (d.h. Immissionsreduzierungen) für die
Wohnbevölkerung. Bei einem sinnvoll erarbeiteten Mobilfunkversorgungskonzept
wird aber unabhängig von der primären Zielsetzung stets auch darauf geachtet,
dass sich die Immissionssituation für die Handynutzer zumindest nicht
verschlechtert, sondern möglichst ebenfalls verbessert.
Die Konzentration auf
die Wohnbevölkerung insgesamt (anstatt auf die Handynutzer) hat u.a. folgende
Gründe:
·
Die Exposition durch
Mobiltelefone ist durch jeden Nutzer individuell steuerbar. Jeder kann frei
entscheiden, ob er sich der Strahlungsexposition durch ein Mobiltelefon am
eigenen Kopf aussetzen möchte oder nicht. Auch wegen der durch Handynutzer in
der Umgebung hervorgerufenen Expositionen sollte bei jedem Mobilfunkkonzept
darauf geachtet werden, dass sich die Immissionssituation für Handynutzer nicht
verschlechtert.
Die Exposition durch Basisstationen ist demgegenüber nicht individuell zu
beeinflussen und betrifft auch möglicherweise besonders empfindliche Personen.
·
Die
Strahlungsexposition durch Basisstationen erfolgt rund um die Uhr und betrifft
damit auch die besonders schutzwürdigen nächtliche Ruhe- und Erholungszeiten.
Gerade in diesen Zeiträumen geringer Auslastung der Mobilfunknetze wird an
GSM-Basisstationen der Basiskanal (BCCH) mit voller Leistung ausgestrahlt,
wohingegen der Basiskanal bei manchen (sinnvoll konfigurierten) Basisstationen
bei Gesprächsauslastung (wegen Leistungsregelung) zeitweise mit geringerer
Sendeleistung arbeitet. (Bei GSM-Basisstationen, die typischerweise weniger als
acht gleichzeitige Gespräche pro Sektor abwickeln, kann sich dadurch die
paradoxe Situation ergeben, dass sie während der nächtlichen Nichtbenutzung mit
größerer Leistung senden als bei mäßiger Gesprächsauslastung tagsüber.)
Zur Begründung ihrer
häufig ablehnenden Haltung gegenüber Basisstationen außerhalb der Wohnbebauung
weisen die Mobilfunkbetreiber häufig auf die Symmetrie des Funkkanals hin. Dies
bedeutet, dass die Funksignale vom Handy zur Basisstation (Uplink) der gleichen
Dämpfung unterliegen wie die Funksignale in umgekehrter Richtung (Basisstation
zum Handy = Downlink). Hieraus wird (richtigerweise) der Schluss gezogen, dass
es keinen Sinn macht, bei weit vom Nutzer entfernt befindlichen Basisstationen
die wegen der Entfernung höheren Pfadverluste durch eine höhere Sendeleistung
der Basisstation auszugleichen, da in der Gegenrichtung die Funksignale des
Handys den gleichen Pfadverlusten unterliegen. Die Handys müssten dann entweder
ihre Sendeleistung erhöhen (wodurch sich die Strahlungsexposition des Benutzers
erhöht) oder stießen an die Grenze ihrer Sendeleistung, was dann letztendlich
zum Verbindungsabbruch führe.
Soweit ist diese
Argumentation zutreffend.
Falsch ist es
hingegen, hieraus zu folgern, außerhalb der Wohnbebauung befindliche
Basisstationen seien für eine insgesamt (d.h. für Nutzer und Nichtnutzer)
strahlungsminimierte Mobilfunkversorgung ungeeignet.
Bei der vorgenannten
Argumentation werden nämlich folgende Punkte nicht berücksichtigt:
·
Wie bereits oben
dargestellt befinden sich im Sinne einer strahlungsminimierten
Mobilfunkversorgung sinnvoll platzierte Basisstationen außerhalb der Wohnbebauung
an hochgelegenen, exponierten Standorten. Die geringeren Pfadverluste durch die
Versorgung „von oben herab“ führen zu Verbesserungen der Funkverbindung, die
die Verluste durch die größere Entfernung (mindestens) ausgleichen.
·
Bei einer Versorgung
von außerhalb gelegenen Standorten kommen häufig (schon wegen der aus
Kapazitätsgründen erforderlichen Aufteilung des Versorgungsgebietes in mehrere
Funkzellen) Sektorantennen mit einem geringeren horizontalen Öffnungswinkel als
bei innerörtlichern Basisstationen zum Einsatz. Diese Sektorantennen haben
einen größeren Antennengewinn, der zum Ausgleich der höheren Verluste durch die
größere Entfernung beiträgt. Dieser höhere Antennengewinn kommt (wegen der
Symmetrie des Funkkanals) beiden Übertragungsrichtungen zu Gute, d.h. es
erlaubt auch den Handys, mit geringerer Leistung zu senden.
Beim Vergleich der
integralen Strahlungsbelastungen durch Handys und Basisstationen sollte
weiterhin folgender Punkt beachtet werden, der bei der Argumentation mit der
„Symmetrie des Funkkanals“ häufig übersehen wird:
Die beiden
Übertragungsrichtungen „Downlink“ (Basisstation zum Handy) und „Uplink“ (Handy
zur Basisstation) werden – auch bei Betrachtung der für nur ein einzelnes
Gespräch erforderlichen Sendeleistungen – mit sehr unterschiedlicher
Strahlungsintensität abgewickelt. Die Basisstation strahlt (nur für die
Funkverbindung zu einem Handy) in einem typischen Fall ca. 30 bis 50 mal mehr
Sendeenergie ab als das Handy dies für die Funkverbindung in Gegenrichtung tut.
Diese starke Asymmetrie der aufgewandten Sendeleistungen (und damit auch der
z.B. in einer Stadt durch Basisstationen und Handys verursachten
Gesamtimmissionen) entsteht dadurch, dass die Basisstationen Antennen mit
großem Antennengewinn einsetzen, die Handys hingegen nicht.
Besser verständlich
wird der Effekt an einem akustischen Analogon:
Die Basisstationen müssen laut rufen, damit die Handys mit ihren schlechten Mikrofonen (einfache
ungerichtete Dipolantennen) die Basisstationen verstehen. Die Handys können
hingegen leise reden, da die Basisstationen hochempfindliche
Richtmikrofone (Richtantennen mit hohem Antennengewinn) einsetzen, und
daher auch die leise sprechenden Handys gut verstehen können.
Bezüglich der
aufgewandten Sendeleistungen und insbesondere der für die Gesamtbevölkerung
verursachten Immissionen zeigt sich hier eine starke Asymmetrie des Funkkanals,
verursacht durch die völlig unterschiedlichen Antennensysteme bei Basisstation
und Handy. Dies führt im Ergebnis dazu, dass (z.B. für die Wohnbevölkerung einer
Stadt) die Gesamtimmissionen durch das „System Mobilfunk“ weitgehend durch die
Mobilfunkbasisstationen verursacht werden und für die gerade nicht selbst mobil-telefonierenden Personen die
Strahlungsbelastung durch die mobil-telefonierenden Menschen in ihrer Umgebung
nur eine untergeordnete Rolle spielt.
Unabhängig von dieser
für die Gesamtbevölkerung geltenden Überlegung sollte jeder Handynutzer aber
beachten, dass während eines Mobilfunkgesprächs wegen der Benutzung des Handys
praktisch an der Körperoberfläche für den Nutzer selbst in den meisten
Situationen durch das eigene Handy die überwiegende Strahlungsexposition
verursacht wird. Siehe hierzu aber auch die Hinweise zur biologischen Wirkung
am Anfang diese Beitrags.
Peter
Nießen